Erfahrungsbericht: Martin Höhl
„Herrliche Stadt uns’res Gottes, all meine Quellen sind in dir!“ – es sind wohl die Texte und Melodien, die Gerüche des Suq und Bilder, die nach zwei Jahren immer noch in meinem Kopf herumschwirren, die mich unweigerlich an die wunderbare Zeit in Jerusalem erinnern. Für mich waren besonders das regelmäßige Psalmengebet und die lebhaften Diskussionen im Studienjahr prägend: Einerseits konnte ich mit ganz verschiedenen Charakteren und Positionen ins Gespräch kommen und sehr kontrovers streiten, andererseits hat man sich in der Dormitio-Basilika, beim Zusammenleben im Beit Josef oder bei einem Bier auf dem Dach immer wieder – über alle (Konfessions-)Grenzen hinweg – als Teil einer Gemeinschaft gefühlt, die aus der Komfortzone der Heimatuni herausgeholt wurde und sich zusammen auf den Weg gemacht hat.
Für mich war dieser Weg auch ein akademischer, bei dem ich viele spannende evangelische, katholische, jüdische, muslimische, atheistische Dozierende kennenlernen durfte. Besonders erfrischend war die Auseinandersetzung mit jungen muslimischen Theolog*innen, die uns im Rahmen der muslimisch-christlichen Werkwochen besucht haben, und mit denen wir u.a. den Tempelberg und das Innere von Felsendom und Al-Aqsa Moschee erkunden durften.
Die verschiedenen Exkursionen haben immer wieder für Abwechslung, Witz und unvergessliche Erlebnisse gesorgt. Einen Tag alleine in der Wüste Jordaniens in absoluter Ruhe zu verbringen und unter dem freien Sternenhimmel zu schlafen, ist ein Erlebnis, das man in dieser Intensität wohl nur im Studienjahr erleben kann.
Auch die politische Dimension hat eine wichtige Rolle gespielt: Gerade in Zeiten, in denen Populismus und Fremdenfeindlichkeit wachsen, kann man den persönlichen Kontakt zu Menschen anderer Kulturen kaum genug schätzen. Die politische Lage in Israel lässt dabei Idealisierungen schnell verpuffen und sorgt für einen nüchternen Blick auf gesellschaftspolitische Themen, die auch in Europa immer virulenter werden.